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Kauf oder Übernahme einer Arztpraxis? Tipps für Ärzte und Ärztinnen

Kaum hat man seine Facharztausbildung abgeschlossen und ist zugelassener Arzt, steht man vor vielerlei verschiedenen Entscheidungen: Möchte ich mich in einer eigenen Praxis niederlassen und mir damit meine eigene Existenz in der ambulanten Versorgung aufbauen? Wenn ja, welche Praxisform schwebt mir vor? Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis? Oder eignet sich doch besser die Übernahme einer bestehenden Arztpraxis? Möchte ich lieber im Team, Seite an Seite mit anderen (Fach-)Ärzten arbeiten? Fragen über Fragen, Entscheidungen über Entscheidungen, die allesamt den künftigen Werdegang bestimmen werden. Umso wichtiger also, sich rechtzeitig mit allen wichtigen Grundlagen in Sachen Praxiskauf bzw.Praxisübernahme auseinanderzusetzen.

Steuerberater und Fachberater für den Heilberuf Hubert Gernoth informiert in diesem Artikel über alles Wichtige rund ums Thema Praxisverkauf, Praxisübernahme (Käufersicht) und Praxisabgabe (Verkäufersicht) für Ärzte und Ärztinnen.

Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft? Varianten der Existenzgründung

Je nach Vorhaben und individuellen Ansprüchen des Gründers eignen sich bestimmte Praxisformen mehr und bestimme Praxisformen eher weniger. Möchte ich als wirtschaftlich unabhängiger Arzt tätig sein? Ist mir das finanzielle Risiko zur Genüge bekannt und kann ich damit umgehen? Wie lässt sich Beruf und Privatleben vereinbaren? Wie wichtig ist mir eine gute Work-Life-Balance? Komme ich mit dem bürokratischen Aufwand einer Einzelpraxis zurecht oder kommt für mich doch eher die Arbeit im Team mit anderen Ärzten und Ärztinnen in Frage?

Vorteile Einzelpraxis

  • Inhaber hat alleinige Entscheidungsgewalt und bestimmt Sprechzeiten, Urlaub und Arbeitsschwerpunkte.
  • Wirtschaftliche Unabhängigkeit: Kosten für Personal, Räumlichkeiten und Geräte trägt der Praxisinhaber selbst - was am Ende des Monats übrigbleibt, steht ihm zu.
  • Arbeitszeit kann vorübergehend durch einen Entlastungsassistenten reduziert werden. Das ermöglicht dem Inhaber eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Vorteile Gemeinschaftspraxis:

  • Arbeit im Team
  • Die Mitglieder/ Teilhaber der Gemeinschaftspraxis agieren wirtschaftlich gemeinsam. Sie teilen sich somit die Kosten für Personal, Räumlichkeiten und Geräte.
  • Gemeinsame Abrechnung der ärztlichen Leistungen.

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Rechtsformen für Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft

Ist die Entscheidung auf eine passende Praxisform gefallen, gilt es, eine entsprechende Rechtsform zu wählen. Je nach Praxisform (Einzelpraxis, Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft) unterscheiden sich hier die Auswahlmöglichkeiten der Gesellschaftsform.

Einzelpraxis

Gründet ein zugelassener Arzt eine Einzelpraxis, so geschieht dies in der Regel freiberuflich.

Gemeinschaftspraxis (BAG)/ Praxisgemeinschaft

Entscheidet sich ein Arzt dagegen dafür, eine Gemeinschaftspraxis oder eine Praxisgemeinschaft zu gründen, so geschieht dies meist in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dasselbe gilt für die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ). Alternativ bietet sich für die beiden Praxisformen Gemeinschaftspraxis und MVZ die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft an. Außerdem kann ein Medizinisches Versorgungszentrum auch in Form einer GmbH gegründet werden.

Praxisübernahme aus Sicht des Käufers

Entscheidet sich ein zugelassener Arzt für den Kauf einer bestehenden Arztpraxis, durchläuft er in der Regel verschiedene Schritte bis es schlussendlich zur Übernahme kommt. Zum einen muss eine geeignete Praxis gefunden werden, die sowohl in Sachen Standort als auch Personal und Patientenstamm den Ansprüchen des Käufers entspricht. Zum anderen müssen nach dem Finden einer in Frage kommenden Praxis konkrete Übernahmeregelungen mit dem Verkäufer getroffen sowie ein für alle Beteiligten fairer Kaufpreis vereinbart werden.

Kosten für die Übernahme einer bestehenden Arztpraxis

Jede Existenzgründung ist naturgemäß mit Kosten verbunden - ganz gleich ob Existenzgründung in Form einer Einzelpraxis oder Übernahme einer bestehenden Praxis. Zu beachten ist hierbei insbesondere die Tatsache, dass die Kosten der Übernahme je nach Praxisform, Standort und Fachausrichtung deutlich variieren können.

Erfahrungsgemäß kostet die Übernahme einer Praxis für Allgemeine Humanmedizin durchschnittlich zwischen 105.000€ und 140.000€ - das belegt auch eine Existenzgründeranalyse der apoBank und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Orthopäden müssen dagegen bei dem Praxiskauf mit Übernahmekosten zwischen 225.000€ und 335.000€ rechnen. Andere Fachärzte wie in etwa Zahnärzte zahlen für die Übernahme einer bestehenden Arztpraxis ebenfalls zwischen 240.000€ und 335.000€. Hinzu kommen in allen drei Fällen ggf. weitere Investitionskosten für die Innenausstattung der Praxis wie Empfangsbereich, Wartezimmer, Labor, medizintechnische Geräte und sonstiges technisches Equipment, Behandlungsstühle etc. Je nach Ansprüchen und individuellen Präferenzen kommen hier mehrere tausend Euro hinzu.

Standortfaktoren

Neben der Praxis- bzw. Niederlassungsform und der Fachrichtung ist auch der Standort ganz entscheidend bei der Wahl der zu übernehmenden Praxis und der Bestimmung dessen Kaufpreises. Hat ein Arzt mit Übernahme die Qual der Wahl sich zwischen verschiedenen, potentiell in Frage kommenden Praxen zu entscheiden, sollte er sich die folgenden Fragen stellen:

  • Wie viele Arztpraxen bzw. MVZ befinden sich in unmittelbarer Nähe/ im Umkreis? 
  • Wie viele von diesen Arztpraxen sind derselben Fachrichtung angehörig wie ich? Gibt es einen generellen Praxisbedarf?
  • Befinden sich in der Nähe Apotheken? Wenn ja, wie viele?
  • Ist die Praxis in der Nähe eines Bahnhofs bzw. anderweitig gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar?
  • Wie ist das Image des Stadtteils/ der Region in der sich die Praxis befindet?
  • Ist die Praxis dort bereits voll etabliert und genießt einen guten Ruf?
  • Wie sieht es mit der Mitarbeiterbindung aus? 
  • Wie sieht der Patientenstamm aus? 
  • Gibt es Pflegeeinrichtungen in der Nähe?

Jedem Übernehmer/ jeder Übernehmerin sollte klar sein, dass es kaum möglich sein wird, alle oben genannten Fragen in Sachen Standort perfekt beantworten zu können. Wichtig ist es deshalb, dass sich Ärzte und Ärzte mit Übernahmevorhaben im Vorhinein klarmachen, welche Faktoren beim Praxiskauf für sie persönlich ganz wichtig und entscheidend sind bei der Wahl für oder wider eine Praxis - denn der perfekte Standort findet sich nur in äußerst seltenen Fällen. Um potentielle Standorte auf Herz und Nieren zu prüfen, ist es immer ratsam, eine umfassende Standortanalyse vorzunehmen. Dies kann man entweder selbst tun, oder idealerweise einen Steuerberater mit Fachausrichtung auf den Heilberuf, wie Hubert Gernoth, damit beauftragen. Steuerberater mit Zusatzqualifikation für den Heilberuf sind jedoch nicht nur in Sachen Standort die idealen Ansprechpartner, wenn es um den Praxiskauf geht. Sie kennen sich mit jedem Schritt des Praxiskaufs bzw. Praxisverkaufs aus und können mit ihrem branchenspezifischen Know-how somit sowohl Käufern als auch Verkäufern ideal zur Seite stehen.

Praxisübergabe aus Sicht des Verkäufers - Suche nach einem passenden Nachfolger

Momentan arbeiten rund 5,7 Millionen Menschen bundesweit im Gesundheitswesen. Davon sind rund 679.000 Menschen in der Arzt- und Praxishilfe angestellt und rund 68% der praktizierenden Ärzte und Ärztinnen sind mindestens 50 Jahre alt, 12,6% sogar 60 und älter. Das belegt eine aktuelle Studie des Statistischen Bundesamts. Diese Daten zeigen somit deutlich die Tendenz, dass in naher Zukunft ein Großteil der praktizierenden Ärzte in den Ruhestand eintreten wird. Umso wichtiger also, sich rechtzeitig mit der Praxis Nachbesetzung auseinanderzusetzen - denn einen geeigneten Nachfolger findet sich bekanntlich nicht über Nacht.

Interne und externe Praxisnachfolge - Praxisverkauf an Angehörige oder Dritte

Ärzte die sich mit der Praxisabgabe auseinandersetzen, müssen sich zuallererst mit der Frage befassen, ob eine interne oder eine externe Praxisnachfolge gewünscht ist und ob dieser Wunsch der Nachfolge auch umsetzbar ist. Denn je nach Art der Nachfolge (intern oder extern) unterscheiden sich naturgemäß die Nachfolgeregelungen.

Interne Nachfolge: Erfahrungsgemäß wünscht sich die Mehrheit der praktizierenden Ärzte die Interne Nachfolge durch einen direkten oder indirekten Angehörigen oder durch einen Mitarbeiter. Denn man kennt sich, man weiß, wie der andere tickt, weiß, dass die Praxis nach Übergabe in guten Händen sein wird.

Externe Nachfolge: Doch in vielen Fällen ist die Option der internen Nachfolge durch Angehörige oder Mitarbeiter aus unterschiedlichen (persönlichen oder fachlichen) Gründen nicht gegeben. Alternativ hierzu bietet es sich an, die Praxis an einen Dritten abzugeben. Wesentlicher Vorteil hierbei ist, dass sich der Verkäufer seinen Nachfolger gezielt aussuchen kann. Am besten findet sich ein Übernehmer über ein Inserat in der Arztbörse oder Praxisbörse.

Mehr erfahren zu Nachfolgeregelungen bei interner und externe Praxisnachfolge

Verfahren zur Wertermittlung der Arztpraxis

Möchte ein Arzt seine Praxis verkaufen, so muss er sich zunächst mit der Wertermittlung auseinandersetzen, um so einen passenden und fairen Preis erheben zu können. In der Regel erfolgt die Wertermittlung einer Praxis durch einen Sachverständigen, einen externen Gutachter oder einen Steuerberater. Diese Experten werden zu Rate gezogen, da sie ganz objektiv und ohne emotionale Bindung zur Praxis, zum Praxisteam und den Patienten ein Werturteil fällen können. Zu Praxiswertermittlung gibt es zwei verschiedene Verfahren: 1) das modifizierte Ertragswertverfahren und 2) die Ärztekammermethode. In der Branche hat sich zunehmend die erste Methode bewährt, vorstellen möchten wir im Folgenden jedoch beide Verfahren.

Modifiziertes Ertragswertverfahren: Bei dieser Methode werden die künftigen Gewinne der Praxis für einen festen Zeitraum in der Zukunft prognostiziert. Dies nennt man "Abzinsen". Beim Abzinsen wird der Wert künftiger Gewinne durch die Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen berechnet. Dieser Wert wird wiederum unter Miteinbezug des Substanzwertes der Praxis modifiziert.

Ärztekammermethode: Bei der Ärztekammermethode wird der Wert der Arztpraxis über den Durchschnittsumsatz unter Miteinbezug eines kalkulatorischen Arzt-Lohns berechnet. Berechnungsgrundlage ist dabei der durchschnittliche Jahresumsatz der letzten drei Kalenderjahre vor der Praxisübergabe an den jeweiligen Nachfolger.

Vor- und Nachteile des modifzierten Ertragswertverfahrens

Vorteile

Eine der zentralen Vorteile dieses Verfahrens zur Wertermittlung einer Arztpraxis ist, dass der Zeitraum der Bewertung realistisch gewählt. Gleichermaßen findet hier eine Berücksichtigung der Zinsen, Zinseszinsen und des Substanzwerts statt.

Nachteile

Das Unternehmergehalt wird stellenweise ganz willkürlich mit 35% bestimmt. Weiterhin nehmen Angebot und Nachfrage Einfluss auf den Wert der zu veräußernden Praxis. Und - ganz grundsätzlich - handelt es sich um eine Prognose der Zukunft und kann daher nicht mit 100% Sicherheit die Entwicklung der Praxis in der Praxis wiederspiegeln.

Vor- und Nachteile der Ärztekammermethode

Vorteile

Bei diesem Verfahren wird sich in erster Linie auf das Umsatzpotenzial der Praxis konzentriert. Zudem werden sowohl materieller als auch immaterieller Praxiswert bei der Berechnung berücksichtigt.

Nachteile

Ganz zentraler Nachteil dieses 1987 von der Bundesärztekammer veröffentlichen Verfahrens ist die Tatsache, dass der tatsächliche Praxiswert nicht berechnet wird. Es handelt sich lediglich um Ergebnisse die Umsätze betreffend - ebenso werde nicht die tatsächlichen Gewinne berücksichtigt. Zudem ist dieses Verfahren - im deutlichen Unterschied zum modifizierten Ertragswertverfahren stark vergangenheitsorientiert.